Montag, 22. Oktober 2012

Die wundersame Projektvermehrung

Die wundersame Projektvermehrung

Persönlicher Ausgangspunkt und auch Inhalt meines "weltwärts"-Vertrages war die Arbeit in dem Projekt "Centro Solidaridad" (40 Wochenstunden), einem Heim für jugendliche Straftäter, salopp ein Jugendgefängnis für Jungs.

Da ich mich hier vor Ort allerdings weit außerhalb des Wirkungsradius' deutscher Verträge befinde und die Leitung des "Centro Solidaridad", für die mein Auftreten in den Mauern des Projekts sehr überraschend war, beim ersten Treffen klargestellt hat, dass ich - wenn überhaupt - nur vier Stunden am Tag gebraucht werde, "helfe" ich jetzt auch im  Projekt "Hogar Jesus de Nazareth". Genaueres dazu im folgenden Tagesablauf, der euch die Projekte beispielhaft näher zu bringen versucht:

Nachdem ich um 7:30 Uhr das Haus meiner überaus netten und hilfsbereiten Gastfamilie verlassen habe, versuche ich einen der Kleinbusse (Micros) zu nehmen - welches aufgrund der allmorgendlichen Überfüllung (wenn überhaupt) auf demm Trittbrett, die Hände an den Außengriffen festgeklammert, möglich ist. Mangelnder Komfort wird an dieser Stelle durch den Preis von ca. 12ct pro Fahrt kompensiert. Nun beginnt die 50-minütige Fahrt bis nach Yurac Yurac, dem Stadtteil meiner beiden Projekte.

Dieser periphere Stadtteil ist nahe des Flughafens gelegen und gehört zu den ärmsten Vierteln Sucres: Viele Häuser sind aus selbstgebrannten Lehm-Stroh-Steinziegeln gebaut, an der Hauptstraße gibt es nur ein paar kleine Geschäfte und die Straßen werden von Hunden, Schafen und Schweinen mit ihren Ferkeln bevölkert, dich sich von dem omnipräsenten Müll ernähren.
Angekommen ist das "Centro Solidaridad" (Centrum der Solidarität) schon von weitem an seinen hohen Mauern und dem ständig verriegelten Eisentor zu erkennen - die 14- bis 17-jährigen Insassen dürfen das Gelände nicht selbstständig verlassen. An drei Morgenden der Woche kommen Pädagogikstudenten in das Heim und unterrichten die Jugendlichen, die ansonsten nicht zur Schule gehen dürfen- obwohl einige Analphabeten sind und starke Defizite in den Grundrechenarten haben. Während des Unterrichts versuche ich so gut es geht zu helfen - bin allerdings bis auf donnerstags und freitags (An diesen Tagen erteile ich zwei Stunden Englisch- und Matheunterricht)  zumeist nur als Zuhörer aktiv. In dem Unterrichtsraum ist es morgens sehr kalt, da viele Fenster fehlen - wie im ganzen Gebäude. Ab ungefähr zehn Uhr verbringen die Jungs und ich die Zeit entweder mit der Erledigung ihrer Tagesaufgaben (putzen, waschen, aufräumen) oder wir arbeiten zu mehreren auf den Äckern des Heims, deren Planung Landwirtschaftsstudenten übernehmen: Wir verlegen Wege, pflügen die Äcker, bewässern etc. Um 12 Uhr gibt es Mittagessen, das aus einer Gemüsesuppe und einem üppigen Hauptgang besteht. Der köstliche Geschmack- wenn auch wie bei Schweinehaut mit aufgequollenem Weizen z.T. ungewohnt - wird leider ein wenig durch die Abwesenheit von Messer und Gabel getrübt. Ein weiteres Hygieneproblem sind die Hunde des Projekts, die öfterst in das Gebäude urinieren und koten. Für die Jugendlichen, die zum großteil wegen Drogenkriminalität oder Gewaltverbrechen teilweise für mehrere Jahre einsitzen, schreitet der Tag drei Mal die Woche mit weiteren zwei Stunden Unterricht oder ansonsten mit der Erledigung weiterer Aufgaben fort, bis sie abends in ihre Zimmer geschlossen werden. Mein Verhältnis zu den Jungs ist kameradschaftlich und meine Einschätzung von ihnen sehr positiv.

Auf Exkursion zum Mistabholen aus dem nächstgelegenen Dorf

Das Ergebnis: Viel Dünger und Erde für den Garten
Rückfahrt auf der Ladefläche des Pick-Up
Und gemeinsam auf einer Messe zum Thema: Geistige Gesundheit
Ich wechsle jetzt ein Gebäude weiter in den "Hogar Jesus de Nazareth", wo die acht- bis zwölfjährigen Jungs noch gerade mit dem Essen beschäftigt sind (die zwölf kommen gegen 12:30 Uhr aus der Schule und brauchen danach bis zu anderthalb Stunden zum Essen). Hier helfe ich bei der Essensausgabe. Danach stehen auch bei meinen Kleinen eine halbe Stunde lang Aufgaben wie putzen und abspülen an der Tagesordnung; gefolgt vom gemeinsamen Hausaufgabenmachen, das ich unterstütze. Am späten Nachmittag haben die Jungs Freizeit, die wir oft gemeinsam auf dem angrenzenden Fußballplatz oder mit Englischunterricht meinerseits verbringen; an zwei Tagen der Woche ist es allerdings nach den Hausaufgaben die Aufgabe der Jungs, kleine Brötchen (Pan) zu backen und diese später in den Straßen zu verkaufen - das eingenommene Geld kommt den Jungs oder der Einrichtung des Heims zu gute (fehlende Fenster, Tische, Stühle etc.). Die Jungs, die wegen Problemen in der Familie oder Verwaisung im Heim sind, benötigen viel Aufmerksamkeit und Zuneigung, da Treffen mit der Familie bei einigen sehr selten sind.

Das Eingangsschild bei meinen Kleinen
Der Kicker ist für die Jungs fast so wichtig, wie das richtige Fussballspiel
Eine Serie vom gemeinsamen Brotbacken
Hier beginnt der Brotverkauf (ca. 6ct pro Brötchen)
Der Unterrichts- und Hausaufgabenraum
Das Ergebnis einer kurzen Zwischeneinheit Englisch
Der Kleinbus in Richtung meines Hauses ist glücklicherweise fast leer, sodass die Zeit bis zur Ankunft - ungefähr zehn Stunden nachdem ich aufgebrochen bin - angenehm vergeht.
























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